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Ein Plädoyer den Begriff „Führung“ auf den Prüfstand zu stellen.

Provokante These. Brauchen wir überhaupt noch Chefs? Meine These ist, wir brauchen nach wie vor Führung. Sie wird nur in Teilen anders funktionieren. Das heißt für die Führungskraft, die eigene Führungsarbeit und Ihre eigenen Denkmuster auf den Prüfstand zu stellen. Was passt noch, was ist eher hinderlich? Was macht das mit mir, wie gehe ich persönlich mit den Veränderungen um?

Es geht hier um einen mentalen Change. Ein Gedankenspiel kann helfen, alte Gedankenmuster zu überprüfen, altes abzulegen und offen und vor allem freier für das Neue zu werden.

In diesem Beitrag erfahren Sie:

  • Geht es auch ohne Chefs?
  • Führung, Karriere mal anders denken.

Es gibt Firmen, die arbeiten ohne Chefs.

Ich war auf einem Vortrag über die Firma Premium Cola. Ich weiß gar nicht, ob die sich selbst überhaupt Firma nennen oder eher Interessensgruppe. Auf jeden Fall organisieren sie die Herstellung und den Vertrieb von Premium Cola und anderen Getränken. Immerhin verkaufen Sie 1,5 Mio. Flaschen pro Jahr über ganz Deutschland verteilt und das ohne klassische Werbung oder Marketing. Ich hoffe, ich gebe alles richtig wieder.

Das besondere an der Firma ist. Die Firma arbeitet im Kollektiv. Ganz ohne Chefs. Alle Aktivitäten werden gemeinsam besprochen und im Konsens entschieden. Klingt erst einmal verrückt. Alle verdienen das gleiche und die Grenzen zwischen der „Firma“ und außen zu den Getränkeabfüllern, Logistik-Partnern usw. sind irgendwie fließend. Dort arbeiten 50 Personen aktiv, meistens Teilzeit. Es gibt in dieser Firma keinen einzigen schriftlichen Vertrag. Alles läuft per Handschlag und Vertrauen. Und das Ganze funktioniert schon über 19 Jahre. Das einzige Regelwerk ist ein gemeinsam entwickeltes Betriebssystem zur Orientierung nach Innen und Außen.

Wer mehr darüber wissen will, kann sich über deren Webseite informieren: Premium Cola Betriebssystem.

Wer mehr über diesen grundlegenden Ansatz verstehen möchte, findet mehr darüber unter den Begriffen Soziokratie oder Holokratie.

Was leite ich jetzt daraus ab?

Es gibt heute viel Diskussionen darüber, ob und wie viele Führungskräfte ein Unternehmen braucht und mit welcher zukünftigen Rolle oder Aufgabe Führungskräfte unterwegs sein werden.

Als ich dem Vortrag von Premium Cola lauschte, befand ich mich in einem inneren Widerstreit. Ich muss gestehen, einerseits fand ich den Gedanken inspirierend, andererseits meldete sich bei mir ein Gefühl von innerem Widerstand.

Ich war über 20 Jahre Führungskraft vom kleinen Team bis zu großen Bereichen. Ich war immer von der Notwendigkeit überzeugt, dass ein Unternehmen Führung bzw. Führungskräfte braucht. Das war meine Existenzbestätigung und habe meine Kraft darauf verwendet mein Team zum Ziel zu führen ganz im Sinne des Unternehmens. Die Lösung von Aufgaben zu fördern. Orientierung zu geben und im Zweifelsfall im Kleinem und Großem Entscheidungen zutreffen mit Hilfe der ganzen Palette der Menschenführung.

Die Frage ist nicht. ob es Führung braucht, sondern eher die Frage wie viel und wenn ja welche Art von Führung.

Führung heißt ja nicht automatisch, ich bin der Boss und ohne mich läuft hier nichts. Für mich war Führung immer auch ein Anspruch mich überflüssig zu machen. Ich habe einen guten Stand erreicht, wenn mein Bereich auch im Großen und Ganzen ohne mich läuft. Ich mich dann auf wesentliche Führungsaufgaben konzentrieren kann, z. B. auf die Mitarbeiter- und Themenentwicklung, Strategieentwicklung, auf das Feuerwehr- oder Konfliktmanagement (wenn überhaupot notwendig).

Keine Angst damit werde ich nicht arbeitslos. In diesen dynamischen Zeiten ändert sich die Welt permanent und es ist auch meine Aufgabe gemeinsam mit dem Team Veränderungen anzustoßen, Barrieren zu beseitigen und vielleicht ganz neue Wege zu gehen. Vielleicht arbeite ich auch mal bei einem fachlichen Thema mit, so als Kollege.

Neues Denken: Die Zukunft gehört der Komeptenzentwicklung.

Vielleicht gehört der Zukunft nicht mehr dem Thema Karriereentwicklung sondern eher dem Thema Kompetenzentwicklung – fachlich, persönlich, methodisch. Das Arbeiten an meiner persönlichen Employability. Mit diesem gut gefüllten Rucksack hätte ich dann vielleicht mehr Optionen, mal zeitweise auszusteigen oder etwas ganz anderes zu tun. Brauche ich dann überhaupt noch einen eigenen Bereich oder arbeite ich in flexiblen Teams an bestimmten auch wechselnden Themen.

Und wenn meine (oder eine andere Firma) dieses Denken übernehmen würde, müsste ich gar nicht mehr an meiner Stelle festkleben und vielleicht dort nicht mehr weiterkommen. Ich wäre flexibel, hätte viele Optionen und würde die Kompetenzleiter weiter hochklettern. Ich würde mal mehr, mal weniger, mal fachlich, mal in einer Führungsrolle arbeiten. Wäre das vorstellbar?

Vielleicht würde die Firma mein Kompetenzprofil und meine Flexibilität honorieren und nicht die Stufe 4 auf der Karriereleiter. Ich wäre dann vielleicht nicht mehr der Direktor, würde aber vielleicht mit meinem GF am Frühstückstisch neue Ideen besprechen. Oder wir würden uns zum Plausch auf Mallorca treffen. Zeit mal anders zu denken.

Bereit mal anders zu denken?

Mal ehrlich, ist das Kästchen im Organigram oder der Titel oder der fette Dienstwagen das Gelbe vom Ei? Und welchen Preis sind Sie bereit dafür zu zahlen? Wie viel Lebenszeit wollen Sie noch verkaufen oder ungesunden Stress in Kauf nehmen? Fühlen Sie sich wirklich wohl im sogenannten Haifischbecken mit den vielen wichtigen Terminen und … .

Bereit mal die eigenen Denkmuster zu hinterfragen und die eigene Zukunft mal anders zu denken. Führen ja, aber anders?

Ein Coach kann helfen

Wer lange Erfahrung in der Führungsarbeit hat, wurde durch die Zeit geprägt. Es ist ganz normal, dass sich Denkmuster eingeprägt haben.

Die Kunst ist sie zu erkennen und sich von ungeeigneten Denk- und Handlungsmustern zu lösen, sie loszulassen und durch neue zu ersetzen.

Erst dann kann der Blick auf’s Neue offener und freier werden. 

In diesem Beitrag erfahren Sie:

  • Geht es auch ohne Chefs?
  • Führung, Karriere mal anders denken.

Aus der Praxis

Ich wurde als Führungskraft das erste Mal damit konfrontiert, als ich von einem neuerdings agil arbeitenden Team zu hören bekam: „Ich hätte gar nichts mehr zu sagen. Sie würden jetzt selbstverantwortlich arbeiten.“, da war ich irritiert.

Egal ob richtig oder falsch. Es hatte sich etwas geändert und das stellte meine Rolle als Führungskraft in Frage. Anarchie dachte ich. Das geht doch nicht. Wer ist denn in Zukunft dafür verantwortlich, dass das Unternehmen ganzheitlich in eine Richtung läuft und noch viele Fragen mehr.

Im ersten Moment war ich im Widerstand, man kann doch nicht so einfach die Regeln ändern. Besser wäre es gewesen sich dem neuen offen zu nähern. Zu verstehen, wie es funktioniert, die eigene Rolle in einer neuen Welt zu finden und aktiv zu gestalten.

Nein, es kann nicht jedes Team komplett selbst bestimmen, wo es lang geht. Obwohl das im ersten Moment für das Team sexy klingt. Sie sind ein Teil eines Ganzen. Es ist wünschenswert, dass das Team eigene Initiativen starten und Dinge in Frage stellen kann und die Experten selbst entscheiden, wie sie dabei vorgehen wollen.

Hier ist wieder Führung gefragt. Aber anders als vorher.

Typische Denkmuster

Eine kleine zufällige Auswahl ohne Bewertung. Welche „Denkmuster“ kennen Sie.

Alles Vorgehen muss mit den oberen Ebenen abgestimmt werden.

Ich entscheide als Chef, wo es lang geht. Ich bin der, der die Erfahrung und den notwendigen Überblick dazu hat.

Ich muss über die Aktionen in meinem Bereich regelmäßig informiert werden.

Ich arbeite in Routinen und Meetings mit meinen Führungskräften und Mitarbeitern zusammen.

Verantwortung ist nicht delegierbar.

Ich weiß genau, was für meinen Bereich wichtig ist.

Wer von meinem Bereich etwas will muss mit mir sprechen. Ich bin verantwortlich für Budgets und Ressourcen.